
🎙️ Gelesen von mir - für dich.
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Ein leiser Moment der Erkenntnis
Neulich auf dem Spielplatz.
Meine Tochter – barfuß, verschmiert mit Erde, die Haare wild vom Wind zerzaust – kletterte auf den Ast eines alten Kirschbaums. Sie lachte. Wild. Frei. Ganz bei sich.
Neben mir hörte ich eine andere Mutter flüstern:
„So ein hübsches Mädchen. In einem Kleid würde sie bestimmt noch schöner aussehen.“
Ich musste innerlich lächeln – und gleichzeitig tief durchatmen.
Denn ja, Kleider können schön sein. Aber sie sind auch unbequem. Unpraktisch.
Für Mädchen, die Bäume erklimmen, matschige Pfützen erkunden und die Welt auf ihre eigene, wilde Weise entdecken wollen.
Meine Tochter ist eines dieser Mädchen.
Wild. Frei. Kletterfreudig. Und gleichzeitig zart, weich, voller Herz.
Sie kuschelt sich an mich, weint, wenn sie verletzt ist – und lacht, wenn sie mit Dreck verschmiert nach Hause kommt.
Es ist ihr egal, was andere sagen. Nur nicht, was ich sage.
Ein Blick von mir – ein kurzer Moment des Zögerns oder der Scham – kann für sie wie ein Stich sein.
Und da beginnt meine Verantwortung.
Nicht darin, ihr zu sagen, was sich „gehört“. Sondern darin, meine eigenen Gedanken, Blicke, Urteile zu hinterfragen.
Denn was ich denke, was ich sage – oder eben nicht – prägt sie mehr, als ich manchmal wahrhaben will.
Das unsichtbare Gepäck
Wie oft sagen wir Dinge, die wir gar nicht böse meinen – und doch legen wir damit eine Spur.
Eine kleine Schablone, an der ein Kind sich irgendwann misst.
Vielleicht kennst du das auch? Diese beiläufigen Sätze, die wir selbst gehört haben:
„Setz dich gerade.“
„So macht man das nicht.“
„Dafür bist du doch schon zu groß.“
„Dafür bist du noch zu klein.“
Oft kommen sie automatisch.
Wie ein Echo aus einer Zeit, die längst vorbei ist – und doch in uns weiterlebt.
Wir tragen Geschichten in uns, die nicht nur unsere eigenen sind.
Die Stimme der Großmutter: „Sei ein liebes Mädchen.“
Der Lehrer: „Jungs weinen nicht.“
Die Werbung, die uns zeigte, wie man auszusehen hat, um geliebt zu werden.
Es sind unsichtbare Fäden, die durch Generationen gehen.
Wir nehmen sie auf, ohne es zu merken, und manchmal geben wir sie weiter.
Nicht, weil wir es wollen – sondern weil wir selbst so geprägt sind.
Und genau hier beginnt Selbstfürsorge.
Indem wir hinschauen. Uns fragen:
„Will ich diesen Satz wirklich weitergeben? Oder darf er bei mir enden?“

Kleine Szenen, große Wirkung
Ich spüre das oft bei meinen Kindern.
Wenn mein Sohn zwei kleine Zöpfe möchte – vorne am Kopf, wo die Haare am längsten sind.
Und ich ihm diesen Wunsch einfach erfülle. Ohne große Worte, ohne Zögern.
Einfach, weil es schön ist, ihn so stolz zu sehen.
„Wie meine große Schwester“, sagt er dann. „Die hat auch zwei Zöpfe.“
In solchen Momenten bin ich froh, dass ich ihn lasse.
Dass ich nicht anfange zu überlegen, ob das passt oder „komisch“ aussieht.
Aber es gibt auch andere Situationen.
Da ertappe ich mich.
Da merke ich, wie alte Sätze aus meinem Mund rutschen.
Nicht ihre Wahrheit – sondern meine Vergangenheit, meine Unsicherheit.
Alte Stimmen im Kopf
„Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“
„Du musst stark sein.“
„Sei still, wenn Erwachsene reden.“
„Zeig Respekt gegenüber Älteren.“
Diese Sätze habe ich gehört. Viele Male.
Sie haben mich geprägt – und manchmal verletzt.
Denn was, wenn ich traurig war?
Wenn ich weich sein wollte?
Wenn ich nicht verstanden habe, warum Respekt immer nur von uns Kleinen erwartet wurde – aber nicht umgekehrt?
Ich sehe das bis heute.
An der Ampel, wenn Erwachsene bei Rot gehen, während Kinder danebenstehen.
Oder wenn Erwachsene laut, peinlich oder verletzend sind – und trotzdem von Kindern Gehorsam erwarten.
Diese Doppelmoral tut weh.
Aber sie ist auch eine Einladung.
Eine Einladung, es anders zu machen.
Kinder brauchen Freiheit, nicht Schablonen
Unsere Kinder sind keine leeren Gefäße, die wir füllen müssen.
Sie sind wie wilde Gärten, in denen schon alles angelegt ist – die Farben, die Formen, die Eigenart.
Unsere Aufgabe ist es nicht, diese Vielfalt zu beschneiden.
Sondern sie zum Blühen zu bringen.
Manchmal fällt das schwer.
Weil wir Angst haben, sie könnten anecken.
Weil wir möchten, dass sie dazugehören.
Doch emotionale Erschöpfung beginnt oft genau dort, wo Kinder zu oft hören:
„So wie du bist, bist du nicht richtig.“
Vielleicht ist es der größte Liebesdienst, ihnen zu zeigen:
„Du darfst laut sein. Du darfst still sein. Du darfst frei sein.“
Drei leise Wege, bewusster zu begleiten
1. Hör hin, was du denkst.
Sprache formt Wirklichkeit.
Frag dich: Ist dieser Satz wirklich meiner – oder ein Echo von früher?
2. Schaffe Raum für Erfahrungen.
Du kannst dein Kind nicht vor allem schützen.
Aber du kannst da sein, wenn es fällt. Halt geben. Tränen auffangen.
3. Geh deinen Weg – und korrigiere ihn, wenn nötig.
Du darfst umdenken. Dich entschuldigen. Neu beginnen.
Deine Kinder sehen, dass echt sein wichtiger ist als perfekt sein.
Eine Einladung an dich
Stell dir vor, du sagst heute einen Satz weniger, der bewertet.
Schenkst einen Blick, der nicht korrigiert, sondern ermutigt.
Bist einfach da – ohne etwas in Form bringen zu wollen.
Vielleicht erinnerst du dich selbst an eine Situation, in der du dir gewünscht hast:
„Bitte sieh mich einfach. So wie ich bin.“
Du darfst diesen Wunsch an dein Kind weitergeben.
Und vielleicht dabei ein Stück an dich selbst zurückschenken.

Zum Mitnehmen
Vorurteile sind wie kleine Schatten, die wir oft gar nicht bemerken.
Doch wir können entscheiden, ob wir sie weiterreichen – oder ob wir das Licht anmachen.
Unsere Kinder brauchen uns nicht als Richterinnen.
Sie brauchen uns als Spiegel, der sagt:
„Du bist genug.“
Und vielleicht, wenn wir ihnen diese Freiheit schenken, beginnen wir selbst ein Stück freier zu atmen.
In Liebe und Verbundenheit,
Deine ImpulsStifterin 💛